Die Verantwortung füreinander und für die Welt
Etwa ein Jahr lang war der kleine Prinz auf der Suche nach Freunden und Erkenntnis, ganz allein war er unterwegs. Den bedeutenden Erkenntnissprung macht er aber beim Fuchs: Die wesentlichen Werte des Lebens werden im gemeinsamen Miteinander geschaffen, gepflegt und weitergegeben. Man vermittelt Werte durch Vorleben und Zuwendung und man lernt sie durch die wiederholte Erfahrung. Die Offenheit gegenüber dem Anderen, Geduld und die Bereitschaft, Fremdartigkeit zuzulassen, sind hierfür wichtige Basis. Das »Zähmen« ist ein aktiver Lernprozess, in dem jeder etwas von sich preisgibt. Man lernt sein Wesen kennen, seine Stärken und Schwächen. So geht man eine Bindung ein, in der jeder für den anderen verantwortlich wird. Der Fuchs sagt es direkt: »Du bist ewig für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.« Und der kleine Prinz weiß, dass seine Rose sich mit ihren vier Dornen nicht allein gegen die Welt schützen kann.
Die Begegnung mit dem Fuchs hebt das Verantwortungsbewusstsein des kleinen Prinzen auf eine höhere Ebene, denn Verantwortungsbewusstsein besaß er schon vorher: Sorgsam kehrte er seine aktiven Vulkane, damit sie gleichmäßig brennen wie Kaminfeuer. Auch den erloschenen Vulkan kehrte er regelmäßig für den Fall, dass er eines Tages erwacht. Und die Keime von Affenbrotbäumen entfernte er sorgsam, weil Affenbrotbäume, wenn man sie gedeihen lässt, seinen winzigen Planeten zerstören können. Hierin zeigen sich verschiedene Aspekte: Denn man muss achtsam mit sich selbst und seiner eigenen, inneren Welt umgehen. Und man muss achtsam und verantwortungsbewusst mit seiner Umgebung umgehen.
Die Grenzen der Sprache
»Sprache ist eine große Quelle für Missverständnisse«, sagt der Fuchs dem kleinen Prinzen. Damit meint er den reinen Sprachgehalt, das, was Worte aussagen. Bei der Kommunikation miteinander hat das gesprochene Wort nur einen untergeordneten Stellenwert. Die neuere Kommunikationsforschung hat dies bestätigt. Bei der Kommunikation kommt es zu 80 Prozent auf ganz andere Aspekte an: Gestik und Mimik, Körperhaltung, Äußerlichkeiten wie Frisur und Kleidung, aber auch der Geruch, Stimme und Stimmung oder das Umfeld und örtliche Gegebenheiten.
Der kleine Prinz hatte die »belanglosen Worte« seiner Blume ernst – wörtlich – genommen. Das war ein Fehler, wie er zugibt. »Man sollte den Blumen nie zuhören. Wir müssen sie betrachten und ihren Duft einatmen. Meine Blume erfüllte meinen ganzen Planeten mit ihrem Duft, aber ich wurde nicht glücklich darüber…« Man sollte also die Menschen und die Dinge ihrem Wesen nach beurteilen. Für ein solches Urteil muss man alle seine Sinne nutzen. Was man tun hat letztlich deutlich mehr zu sagen als all das, was gesprochen wurde. Auch diese Lektion lernt der kleine Prinz beim Fuchs. »Ich hätte sie nach ihren Taten und nicht nach ihren Worten beurteilen sollen. Sie duftete und erglühte für mich. Ich hätte niemals fortgehen dürfen! Ich hätte hinter ihren armen kleinen Tricks ihre Zuneigung erraten sollen. Blumen sind voller Widersprüche!« Menschen auch.