Flug nach Arras – Ein Roman von Antoine de Saint-Exupéry

Antoine de Saint-Exupérys Roman Flug nach Arras ist Erlebnisbericht und philosophische Betrachtung in einem, ein magischer, fast biblischer Text. Beim Aufklärungsflug nach Arras, das im Mai 1940 von der deutschen Wehrmacht überrollt wurde, ergründet der Schriftsteller die Wurzeln seiner Kultur und denkt tief über das Wesentliche der menschlichen Natur nach, für die er bereit ist, sein Lebens zu opfern.

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Flug nach Arras – Ein Roman von Antoine de Saint-Exupéry

Flug nach Arras ist ein Buch, das – ebenso wie Wind, Sand und Sterne – nur schwer einzuordnen ist. Es springt zwischen einem Augenzeugenbericht, persönlicher Reflexion und philosophischer Betrachtung hin und her. Rahmen seines Buches ist Saint-Exupéry sein lebensbedrohlicher Aufklärungsflug über Arras, für den er am 23. Mai 1940 in den Einsatz geschickt wurde. Die Niederlage und tiefe Demütigung seines Vaterlandes stimmt ihn zu Solidarität und einem zurückhaltenden, aber leidenschaftlichen Patriotismus an, geht aber auch auf die Schwächen seiner Kultur ein. Die Times erklärte das Buch kurz nach seinem Erscheinen zum wichtigsten Buch, das bis dahin über den Krieg geschrieben wurde. Es wäre „ein magischer Text, stellenweise fast biblisch.“

Inhaltsangabe

Flug nach Arras – Ein Roman von Antoine de Saint-Exupéry - Cover der Rororo Ausgabe
Empfehlung: Flug nach Arras – Ein Roman von Antoine de Saint-Exupéry, rororo Ausgabe, Taschenbuch, ISBN 978-3499102066, S. 160

Als Saint-Exupéry den Einsatzbefehl erhält, akzeptiert er seinen fast sicheren Tod und bereitet sich auf den Abflug vor. Sein Flug verläuft zunächst beängstigend ruhig, während unter ihm Dörfer brennen und der Flüchtlingsstrom in den Süden zieht. Dabei sinnt er tief über den Krieg und die Bedrohung seines Landes nach. Bei seinem Anflug auf Arras befasst er sich mit den Wirkungen von Sieg und Niederlage. In der Niederlage sieht er die Ursache der Spaltung Frankreichs. Als er die brennende Stadt vor sich sieht, ist er sich seines Todes gewiss. Er vergisst die Gefahr und bewundert das seltsam schöne und gleichsam schaurige Spiel der Lichter. Da wird sein Flugzeug getroffen. Den Tod vor Augen wird er sich bewusst, dass nicht sein Körper wichtig ist, sondern nur das, was er tut, nur seine Handlungen verleihen ihm Gewicht: „Wenn der Körper abfällt, kommt das Wesentliche zum Vorschein.“ Und gleich er fügt noch eine seiner wesentlichen Ideen hinzu: „Der Mensch ist nichts als ein Bündel von Beziehungen.“

Auf dem Rückflug gelangt er zu einem neuen eigenen Bewusstsein, das ihn in leidenschaftliche Lebensfreude versetzt. Der denkt an seine Kameraden, mit denen er sich nun noch verbundener fühlt. In ihrer Gemeinschaft erhält seine Teilnahme Recht und Richtung und gibt ihm das Gefühl „mehr als ich selbst zu sein“. Er erinnert sich an Gespräche mit Kameraden, mit seinem Kommandanten und seinem Bauern.

Seine glückliche Wiederkehr stimmt ihn schließlich zur Erinnerung an die einfachen Verhältnisse in Orconte und an ein Mahl mit einer Bauernfamilie an. Er zelebriert es wie das christliche Abendmahl und es lässt ihn tief über das Wesen des Menschen und die verschütteten Wurzeln unserer Kultur nachdenken, eine Kultur, die ihre wesentlichen Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Nächstenliebe aus den Augen verloren hat, weil sie von einem falschen Humanismus ausgeht. Die Sprache dieses Humanismus ist völlig unzureichend, weil „keine Erklärung mit Worten je die Schau ersetzen kann“. Doch er weiß einen Ausweg. Es ist der gleiche Gedanke, den er in Wind, Sand und Sterne ausspricht, dass der Mensch nur im Kampf zu sich selber findet. Diesen Menschen – nicht das Individuum – setzt er als den Schlussstein einer Kultur ein, für die er kämpft. „Ich werde für den Menschen kämpfen. Gegen meine Feinde. Aber auch gegen mich selbst.“

Abschließend kehrt er wieder zu seiner Gruppe zurück, die erneut verlegt wird. Trotz der Niederlage seines Landes, fühlt er das Land nicht besiegt. Und so erwartet er den Moment seiner Wiedergeburt.

Hintergründe und Entstehung

Am Tag nach dem Einfall der Deutschen in Polen, am 4. September 1939, wurde Antoine de Saint-Exupéry zum Kriegsdienst einberufen. Er sollte sich bei der Luftwaffe als Fluglehrer nützlich machen. Wegen seiner schweren Schulterverletzung, die er sich bei einem Flugzeugabsturz in Guatemala zugezogen hatte, aber auch wegen seines Alters hielt man ihn vom aktiven Dienst fern, was Antoine sehr verstimmte. Er wollte nicht verschont werden und am Schutz seines Landes persönlich beteiligt sein. Saint-Exupéry trotzte beharrlich und erwirkte so seine Zuteilung zur Fernaufklärungsstaffel II/33, die in dem nordfranzösischen Bauerndorf Orconte stationiert war. Seine Aufklärungstruppe war eine verschworene Gemeinschaft, die unter kargen Bedingungen in fast mönchischer Strenge lebte. Er genoss die Einfachheit dieser neuen Heimat. Mit Stolz redete er von seinem Dorf, seiner Stube und seinem Bauern.

Aufklärungsflüge über Deutschland und Nordfrankreich

Nach der Ausbildung mit einem Kampfflugzeug und der als Aufklärungsflugzeug genutzten Bloch 174 flog er 1940 zunächst sieben Einsätze über Deutschland. Immer wieder versuchte man ihn, vom aktiven Dienst abzuziehen. Man bot ihm Aufgaben als Mitarbeiter im Informationsministerium an und als Wissenschaftler für angewandte Aeronautik im Nationalen Forschungszentrum, doch pfiff er auf seinen Ruhm und auf seine Verantwortung als Schriftsteller, die man ihm klarzumachen versuchte, und weigerte sich beharrlich, seine Kameraden im Stich zu lassen.

Als die deutschen Verbände Anfang Mai über Belgien in Nordfrankreich einfielen, tobten dort heftige Kämpfe. Die Aufklärungstruppe wurde nach Orly nahe Paris verlegt und flog von hier aus lebensgefährliche Einsätze in den Norden. Am 23. Mai 1940 erhielt hier Saint-Exupéry den Auftrag zu einem Aufklärungsflug über Arras, der ihm den Stoff für sein neues Buch geben sollte.Was im Buch nicht deutlich wird: Es ist eine sehr wichtige Mission, Aufklärungsbilder zu beschaffen. Die Franzosen und die Briten wollten den Deutschen den Weg zum Ärmelkanal durch einen Panzerangriff abschneiden. Saint-Exupéry erhielt bei seinem Flug Begleitschutz von fünf Jagdflugzeugen.

Die Deutschen konnten aber nicht aufgehalten werden, Frankreich wurde überrollt. Die Gruppe II/33 um Saint-Exupéry verlegte man daher mehrfach. Als man am 22. Juni 1940 den Waffenstillstand in Frankreich vereinbarte, war die Staffel in Algerien in Nordafrika stationiert. Hier wurde sie am 31. Juli demobilisiert und Saint-Exupéry kehrte nach Frankreich zurück.

Saint-Exupérys geht ins Exil

In Aguy bei seiner Familie versuchte er sich, Klarheit über die Lage seines Landes zu verschaffen. Die Spaltung seines Landes in die Anhänger der gemäßigten Vichy-Interimsregierung und den Vertretern des „freien Frankreichs“ um Charles de Gaulles irritierte ihn zutiefst. Bei einem Besuch des besetzten Paris reifte in ihm das Gefühl, unter solchen Bedingungen nicht weiter in Frankreich leben zu können. Auch seine amerikanischen Verleger bekräftigen ihn in dem Entschluss, das Land zu verlassen. Über Algerien gelangte er nach Lissabon, von wo aus er sich mit dem Schiff auf die lange Reise nach Amerika begab. Am 31. Dezember 1940 ging er in New York von Bord.

Die Arbeit am Buch

In der Zeit seines Exils, die zweieinhalb Jahre andauern sollte, litt Saint-Exupéry enorm unter dem Verlust seiner Heimat. Durch den Erfolg von Wind, Sand und Sterne konnte er zumindest ohne finanzielle Sorgen leben. Von allem, was seine Lebensgrundlage ausmachte, von Land, Familie, Freunden und dem Fliegen getrennt, war er aber zum Zuschauer der weltbewegenden Ereignisse verdammt. Das riss tiefe Wunden in ihm. Auch gesundheitliche Probleme, Folgen seines Absturzes in Guatemala, plagten ihn. Nach Wochen der Erholung begannen ihn seine Verleger Reynal und Hitchcock schließlich zu drängen, etwas über die Lage seines Landes und seiner Niederlage zu schreiben, wofür viele Amerikaner wenig Verständnis aufbrachten und die Franzosen schmähten und verleumdeten. Er könne den Amerikanern auch diese Weise ein besseres Verständnis für die Lage Frankreichs vermitteln. So begann er schließlich mit der Arbeit an diesem Buch. Sein in New York lebender Freund Lewis Galantière sollte den Text ins Englische übersetzen und sein Jugendfreund Bernhard Lamotte illustrieren. Mit fast beängstigender Leichtigkeit schrieb Saint-Exupéry seine Erinnerungen nieder.

Im Februar 1942 erschien das Buch mit dem englischen Titel Flight to Arras, ebenso wie im französischen Original mit dem Titel Pilote de guerre. Ausgewählt hat den Titel seine Frau Consuelo, die seit November 1941 auf Wunsch von Antoine in New York weilte und ihm im Exil eine große Stütze war. Auch in der amerikanischen Zeitschrift Atlantic Monthly erschien der Text in drei Teilen. Sogar in Frankreich durfte er bei seinem Verlag Gallimard veröffentlicht werden. Die deutschen Zensoren untersagten lediglich einen Satzteil, in dem Hitler persönlich benannt wurde. Doch als sich die Presse rege mit dem Werk auseinandersetzte, erkannten auch die Deutschen seine Sprengkraft und verbaten das Buch, das dann im Untergrund zu einer beliebten Lektüre wurde.

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